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Vom Kyffhäuserkreis nach Kyjiw und wieder zurück - Data Science im Verwaltungskontext

Im Rahmen des Programms Sozial & Digital in Zusammenarbeit mit der Helmut Schmitt Universität und d.tec bw konnten wir 3 Landkreise gewinnen mit denen wir Projekte konzipiert haben in denen durch smarte Digitalisierung komplexe Prozesse im Sozialamt verbessert werden! ‍Wir sprechen mit Christoph Trost - unser Macher im Kyffhäuserkreis, der das Projekt "Papierlose Sozialverwaltung" vorantreibt.

Erfolgsgeschichte
March 26, 2025
September 20, 2024
Autor
Autorin
Autor:in
Romy
Marquart

LP: Hallo Christoph, was hat dich persönlich dazu bewegt, dich für dieses Projekt im Kyffhäuserkreis zu engagieren?

CT: Ich komme selbst aus dem Kyffhäuserkreis, habe lange andere Ebenen politischen Handelns kennengelernt und das Innere einer Verwaltung im ländlichen Raum hat mich interessiert. Zumal gibt es den Trend hier aus der Region abzuwandern und nie zurückzukehren. Das wollte ich mal anders machen.

LP: Wie siehst du die Verbindung zwischen deiner Arbeit im Kyffhäuserkreis und den globalen Herausforderungen, wie z.B. in Kyjiw?

CT: Auf humanitärem Einsatz in der Ukraine habe ich ein unglaublich resilientes Land gesehen, das einen Großteil der Verwaltungsleistungen bereits 2021digitalisiert hatte. Das hat natürlich Möglichkeiten für Hacking als Angriffsoption geboten, jedoch auch viele Vorteile für Vertriebene und Geflüchtete. Humanitäre Hilfe läuft heutzutage freilich auch digital ab: in digitalen Blitzumfragen werden nach großen Katastrophen Bedarfe ermittelt, eine digital gesteuerte Lieferkette läuft an und schafft Hilfsgüter auch über Fronten und durch unmögliches Gelände, Hilfsempfänger bestätigen den Erhalt zunehmend digital und all das landet als Grafiken in Berichten für Gesprächspartner. Humanitäre Hilfe muss heute immer beweisgeführt sein. Vielleicht war es früher noch möglich, dass ein Hilfsarbeiter sagt „Jemand hat angerufen, Zivilisten in Dorf X brauchen Hilfe“. Heute braucht es dafür mehr Daten und Fakten um die große Hilfsmaschine in Bewegung zu setzen. Zuletzt geht es auch um Transparenz den Betroffenen gegenüber, damit man nicht nach Bauchgefühl arbeitet sondern klar kommunizieren kann „Wir helfen genau hier weil es hier überdurchschnittlich viele alleinstehende alte Menschen oder andere vulnerable Gruppen gibt.“

Mit begrenzten Ressourcen, maximaler Transparenz und Effizienz Menschen in Not erreichen – das kenne ich aus Kyjiw und ist ebenso eine zentrale Herausforderung für Sozialleistungen im ländlichen Kyffhäuserkreis.

LP: Welche Rolle spielt Data Science dabei, diese Herausforderungen anzugehen?

CT: Data Science ist dabei enorm wichtig um das Unsichtbare sichtbar zu machen. Es gibt selten Statistiken die menschliches Leid erfassen. Dafür braucht es clevere Ersatzindikatoren, Fingerspitzengefühl für sensible Daten und viel Kreativität, denn für Kriege und Konflikte gibt es kaum fertige Algorithmen und Methoden.

LP: Warum sind aus deiner Sicht Prozessabbildungen so entscheidend?

CT: Gerade in der humanitären Hilfe habe ich gelernt, dass Transparenz und Rechenschaft gegenüber den Betroffenen enorm wichtig sind. Prozessabbildungen zeichnen einen realen Prozess abstrakt nach, setzen damit auch einen Standard und helfen SachbearbeiterInnen, KollegInnen, Vorgesetzten und Bürgern zu verstehen, wie ein Ablauf vonstattengeht.

LP: Welche konkreten Vorteile bringen die Prozessabbildungen für die Arbeit im Kyffhäuserkreis?

CT: Wie in jeder Institution gibt es in einem Landratsamt Neueinstellungen, Krankheit oder Umstrukturierung – immer mit der Folge, das Mitarbeitende neue Aufgaben übernehmen. Schon allein bei einer Einarbeitung kann eine Prozessabbildung Gold wert sein: um einen groben Überblick zu bekommen, als Checkliste um zu schauen, dass man an alles gedacht hat, als Messhilfe um zu schauen wo es klemmen kann. Für Sachbearbeiter sind Prozessabbildungen hilfreich um ihre Arbeit – und ggf. Überlastung – gegenüber der Leitungsebene darzustellen. Verantwortliche wiederum können in den Prozessabbildungen schnell erkennen wo es in einer Antragsstrecke mit 15 Schritten und mehr klemmt. Schlussendlich sind dokumentierte Prozesse Teil einer transparenten, bürgernahen Verwaltung, die nach vorhersehbaren, festgelegten Mustern arbeitet.

LP: Gibt es Beispiele, wo Prozessabbildungen dazu beigetragen haben, Probleme zu lösen oder Entscheidungen zu treffen?

CT: Verwaltungsprozesse sind immer sehr komplex und finden oft nicht nur innerhalb der Verwaltung statt. Externe Gutachten müssen eingeholt werden, eine Kantine für Schulessen muss bestätigen wie viel eine Mahlzeit für ein Kind kostet. Besonders über der Darstellung solcher externen Abhängigkeiten waren Prozessabbildungen hilfreich.

LP: Wie siehst du die Zukunft von Data Science in der öffentlichen Verwaltung?

CT: Viele Verwaltungen gehen den Schritt in Richtung Open Data. Das ist ein wichtiger Schritt, jedoch können auch Verwaltungen selbst von offenen Daten profitieren: Ein guter Data Scientist kann einer Verwaltung bei der Haushaltsplanung für Sozialausgaben helfen indem er tief in regionale Sozialindikatoren schaut. Das setzt aber voraus, dass viele Rädchen ineinander greifen; Zuerst braucht es einen Data Scientist in der Verwaltung, dann müssen Indikatoren zeitnah und sauber von anderen Stellen veröffentlicht werden und zuletzt braucht es auch den Willen sich auf Datenanalysen einzulassen.

LP: Welche weiteren Einsatzmöglichkeiten für Data Science kannst du dir im Kyffhäuserkreis vorstellen?

CT: Meine größte Sorge (und zugleich Chance) für den Kyffhäuserkreis ist der demografische Wandel. Viele verfügbare offene Daten zeichnen aber ein starkes Bild von der Region: niedrigere Feinstaubwerte, mehr Wohnraum für weniger Geld, viel erhaltenswerter Altbaubestand, etc.

LP: Welche Herausforderungen müssen noch gemeistert werden, um die Verwaltung als digital & modern zu begreifen?

CT: Meine einfache und zugleich schwer umzusetzende Lösung: mehr Personal mit technischer Kompetenz und zugleich Verständnis für moderne politische Lösungen.


LP: Danke für das aufschlussreiche & spannende Interview Christoph!

CT: Danke euch!

Romy
Marquart
Autor des Artikels
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